Pflicht- und Zwangsfeuerwehren im 19. Jahrhundert
Das älteste Schriftstück im Archiv der Gemeinde ist die allgemeine Feuerordnung vom 5. September 1807 für das Großherzogsthum Berg. Diese Feuerordnung hatte auch für Westfalen Gültigkeit. In der handschriftlichen heißt es „Rückfragen zur Verordnung und Publikationen vom Provinzialrat Justus Schmitz.“ Justus Schmitz war der örtliche Stellvertreter für die Bekanntgabe der Verordnung und auch stellvertretender Löschdirigent bei der Feuerwehr. Die Sorge um das Wohl der Sicherheit der Bürger war bei den Verantwortlichen schon vorhanden. Die Hilfen der Gefahrenabwehr waren allerdings sehr begrenzt. Drei Großbrände gab es in Neuenkirchen, die im Staatsarchiv Münster dokumentiert sind. In allen drei Fällen 1669, 1742 und 1771 fiel der gesamte Ortskern ( Wigbold) dem Feuer zum Opfer. Im Jahre 1742 wurde auch die Kirche weitgehend zerstört.
Nach dem letzten Großbrand 1771 wurde ein neues Spritzen- und Pumpenhaus errichtet. Der Standort war der Thie, die heutige Bahnhofstraße. Das Spritzenhaus war damals ein Bretterschuppen, hatte eine Größe von 38 Quadratmetern und diente zur Unterbringung von zwei Handdruckspritzen. Zum Löschen von Bränden waren bis ins 19. Jahrhundert fast überwiegend Löscheimer ( Ledereimer ) im Einsatz, Bei den jährlichen Brandschauen hatte jeder Hauseigentümer einen Löscheimer und Feuerhaken zum Einreißen der brennenden Häuser vorzuzeigen. Die Feuerstätten waren eine große Gefahrenstelle, denn die meisten Häuser wurden mit offenen Kaminen beheizt. Durch die geschlossene Bauweise im Ortskern mit Fachwerk, Holzbalkendecke, Strohdächer oder Strohdockendächer fand das Feuer immer reichlich Nahrung. Die Feuerstättenschauen durch die Schornsteinfeger waren keine Garantie für Sicherheit.
Gründung einer Feuerwehr in Neuenkirchen
Die Initiative zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Neuenkirchen ging vom damaligen Amtmann Weber und dem Fabrikanten Valentin Kerstiens aus. Am 6. Juli 1879 erging eine Bekanntmachung mit folgendem Wortlaut:
Für die Gemeinde Neuenkirchen wird die Bildung einer „Feuerwehr“ angestrebt. Dieselbe soll eine freiwillige sein und aus Mitgliedern bestehen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben. Anmeldugen zu dieser Wehr nehmen wir am Mittwoch, dem 9. ds., Mts, abends 7.30 Uhr, in der Volksschule hierselbst entgegen und laden zu zahlreicher Beteiligung ein.
Neuenkirchen, 6. Juli 1879
Valentin Kerstiens W. Weber
Diesem Aufruf folgten 111 Bürger der Gemeinde. Um Ordnung und System in die neu gegründete Feuerwehr zu bekommen, wurden Statuten aufgestellt und von der Versammlung genehmigt.
Das erste Statut hatte folgenden Wortlaut:
1. Zweck der Wehr ist geordnetes Zusammenwirken bei Feuergefahr, um Leben und Eigentum nach Möglichkeit zu schützen.
2. Mitgliedschaft
Der Eintritt in die Feuerwehr ist jedem unbescholtenen rüstigen Manne, welcher das 24. Lebensjahr zurückgelegt hat, gestattet. Die Anmeldung erfolgt beim Vorstande. Die Mitglieder werden vom Hauptmanne auf die Satzungen durch Handschlag an Eides statt verpflichtet.
3. Der Austritt ist dem Vorstande schriftlich anzuzeigen unter Rückgabe der erhaltenen Ausrüstung und Abzeichen.
Durch die Feuersbrunst vom 7. Juli 1742 wurde die alte St. Anna-Pfarrkirche ein Raub der Flammen. Die in dieser Zeit vorhandene Pflicht- oder Zwangsfeuerwehr hatte dem Brand nichts entgegen zu setzen, denn mit Feuerhaken und Löscheimer bestand keine Chance, der Feuersbrunst Herr zu werden. Nach dem Brand begann unter beschwerlichen Bedingungen der Wiederaufbau der Kirche, die 1748 dann wieder eingeweiht wurde.
Brand des Dachstuhles über dem Hochaltar der St.-Anna-Kirche am 31. Juli 1928
Für die Neuenkirchener Feuerwehr war dieser Brand eine große Herausforderung, denn mit der damaligen Ausrüstung war dem Feuer nur schwer beizukommen. Nur mit Unterstützung der Wehren aus Rheine und Wettringen konnte das Feuer gelöscht werden. Über die Brandursache ist wenig bekannt und konnte auch von Sachverständigen nicht einwandfrei geklärt werden. Es liegt nahe, dass der Brand bei Reparaturarbeiten durch Handwerker entstand. Der entstandene Brandschaden wurde auf 26.000 Mark geschätzt.
Diese Aufnahme wurde am 5. August 1929 aus Anlass des 50jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr vor dem Saalgebäude Diercksen an der Bahnhofstraße gemacht. Auf dem Foto sind Mitglieder der Wehr, des Musikzuges, des DRK und der örtlichen Polizei zu sehen.
Oben v.l.: Heinrich Beermann, Heinrich Wenker sen, Karl Rohling, August Lüttmann, Alfons Hessling, Rudolf Janning, August Rabbers, Bernhard Weßling, Alfons Lünnemann, Johannes Dierks, Anton Heßling, August Sasse und August Rieke.
2. Reihe: Anton Ebeler sen, Karl Eilhard, Anton Stratmann, Josef Hopp, Paul Müller, Otto Albers, August Runge, August Diercksen, Gerhard Rohling, Wilhelm Diercksen, August Pilatus, Josef Flüthmann, Anton Hopp, Adolf Hemsing, Josef Evers und August Rohling.
3. Reihe: Fritz Kraushaar, Rudolf Rengers, August Niemeyer, Josef Rucks, Heinrich Lünnemann, Heinrich Niehues, Wilhelm Frieling, Heinrich Kelle, Heinrich Puls, Franz Cosse, Bernhard Nienborg, Josef Kleinhölter, Bernhard Herbring, Josef Roß, Ewald Wilmer, Hermann Rengers, Bernhard Rengers, Josef Deupmann, Bernhard Heemann, Josef Flüthmann sen, Bernhard Hemsing, Heinrich Schunke, Bernhard Schürmann, Heinrich Sasse, Kapellmeister Viktor Grewe.
4. Reihe: Albert Rohling, August, Lüke, Paul Brunster, Josef Steinsträter, Georg Beckwermert, Anton Wiggers, Johann Eilhard, Johann Heitkötter, Bernhard Arensmeyer, Wehrführer Heinrich Thyron, Josef Löbbers, Heinrich Gatersleben, Emil Jörling, August Pagenkämper, Bernhard Nimeyer, Wilhelm Herbring, Bernhard Feltkamp, Franz Frieling, Heinrich Rengers.
Unten: Heinrich Witte, Josef Engbers, Heinrich Hopp, Gerhard Hopp, Heinrich Langebröker, Heinrich Flüthmann. Die acht Herren mit der weißen Mütze gehören dem DRK an. Die Fahnenträger sind von links Bernhard Herbring, Josef Roß und Ewald Wilmer. Die örtliche Polizei war mit den Beamten Fritz Kraushaar, August Runge und Heinrich Schunke vertreten.
Mit Beiträgen von Bernhard Altenhülsing.